
In der vergangenen Woche hat die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Gesetzesentwurf zur Rechtsvereinfachung im Hartz-IV-System vorgelegt. Mit den dort enthaltenen Maßnahmen sollen Jobcenter von unnötigen bürokratischen Regeln befreit werden.
Wird der Entwurf diesem Anspruch gerecht? Meiner Meinung nach Nein. Er bietet zwar einige Vereinfachungen (z. B. Bescheide werden statt für sechs für zwölf Monate ausgestellt) an, doch stellen diese nicht den großen Wurf dar, der notwendig wäre.
Die Notwendigkeit für einen großen Wurf wird deutlich, wenn man sich die Anzahl jener Mitarbeiter anschaut, die sich mit der Leistungsberechnung der Hartz-IV-Empfänger beschäftigen - das sind über 20.000 Mitarbeiter und damit die Hälfte der ganzen Belegschaft.
Ursprünglich war angedacht, dass mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter in der Vermittlung tätig sind und Arbeitslosen den Weg in den Arbeitsmarkt weisen. Um diese Schieflage zu beseitigen, bräuchte es eine mutige Reform und keine kosmetischen Änderungen.
Der Gesetzesentwurf verschenkt viele Vereinfachungspotentiale und das wird insbesondere an den folgenden beiden Beispielen klar:
1. Streit um Kleinstbeträge
Das Jobcenter Unstrut-Hainich-Kreis hat wegen einer nicht geleisteten Nachzahlung von 10 Cent das Bundessozialgericht in Kassel angerufen. Man muss sich dies vor Augen führen: Wegen 10 Cent wird hier ein oberstes Bundesgericht angerufen!
Dieser Rechtsstreit dauert nun schon seit 2012 an und hat schon verschiedene Gerichte beschäftigt. Der geschilderte Fall ist natürlich ein Extrembeispiel. Doch steht er exemplarisch dafür, dass Jobcenter oft um Kleinstbeträge mit ihren Kunden, den Hartz-IV-Empfängern, ringen.
Um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, sollte eine Bagatellgrenze von 20 Euro eingeführt werden. Mit einer solchen Grenze wäre gewährleistet, dass sich Gerichte nicht mit solch niedrigen Beträgen im Rahmen von jahrelangen Verfahren beschäftigen müssen.
2. Warmwasserzuschläge
Als Hartz IV eingeführt wurde, sollten möglichst viele Leistungen pauschal ausgezahlt werden. Das Beispiel der Warmwasserzuschläge zeigt, dass das nicht überall gelungen ist. Zuerst muss hier ermittelt werden, ob der Hartz-IV-Empfänger sein Warmwasser per Boiler bekommt oder nicht.
Im nächsten Schritt gibt es verschiedene Zuschläge für Warmwasser-Boiler - je nachdem, ob ein Kind, ein Jugendlicher oder ein Erwachsener duscht. Diese Regelungen machen die Errechnung der Leistungen für die Mitarbeiter in den Jobcentern sehr aufwendig.
Diese beiden Beispiele zeigen schon, was wir mehr brauchen: Bagatellgrenzen und Pauschalierungen bei der Auszahlung von Leistungen. Dies sehen auch die Experten der Bundesagentur für Arbeit so.
Das BA-Vorstandsmitglied Detleef Scheele äußerte sich hierzu wie folgt: „Was es wirklich bräuchte? "Mehr Pauschalisierung" bei den ausgezahlten Leistungen, sagt Scheele. Und statt umständlicher Einzelprüfung selbst geringer Ausgaben vernünftige Bagatellgrenzen."
Abschließend ist noch eine Zahl zu nennen, die belegt, dass die geplante Reform nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
Der Verwaltungsaufwand soll sich für die Jobcenter um 39 Millionen Euro verringern. In Anbetracht der Tatsache, dass dies nur ein Prozent aller Verwaltungskosten ausmacht, kommt der Bürokratieabbau einem symbolischen Akt gleich.
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