- Kanzleramtschef Peter Altmaier warnt davor, die Türkei einseitig zu verurteilen
- Sie sei noch eines der demokratischsten Länder in der Region
Die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei verschlechtert sich momentan fast täglich. Immer mehr Politiker loben den verschärften Kurs der Bundesregierung gegenüber Recep Tayyip Erdogan, dem Machthaber am Bosporus. Eigentlich scheinen zumindest die Fronten geklärt: das demokratische, diplomatische Deutschland gegen die immer mehr zur Diktatur werdende Türkei.
Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts, hat jetzt aber vor einer einseitigen Verurteilung der Türkei gewarnt. "In der Region ist die Türkei eines der demokratischsten Länder. Und damit meine ich gar nicht Herrn Erdogan, sondern das Land und die türkische Gesellschaft insgesamt", sagte Altmaier in einem Interview mit der Zeitung "Bild am Sonntag".
"Die Abstimmung über die Verfassungsänderung hat Erdogan zum Beispiel nicht mit 90 Prozent gewonnen, wie in Diktaturen üblich, sondern mit 51 Prozent."
"In Griechenland und der Türkei gab es Diktaturen"
Von der Forderung nach einem Nato-Austritt der Türkei hält Altmaier deshalb auch nicht viel: "Griechenland und die Türkei sind Nato-Mitglieder, und in beiden Staaten gab es in den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren Diktaturen, zum Teil sogar gleichzeitig. Trotzdem sind beide in der Nato geblieben."
Auch ein Abzug der Bundeswehr-Soldaten aus Konya, heißt es von Altmaier, "würde nicht der Türkei schaden, sondern der Nato in ihrem Kampf gegen den Terrorismus des Islamischen Staats“.
"Deutschland ist in keiner Weise erpressbar"
Dem Ansinnen der Türkei, inhaftierte Deutsche gegen türkische Beamte und Diplomaten auszutauschen, welche nach dem Putsch in Deutschland um Asyl ersucht haben, erteilte Altmaier eine klare Absage: "Deutschland ist ein Rechtsstaat. Deshalb entscheiden darüber die zuständigen Behörden sowie unabhängige Gerichte und nicht Politiker. Deutschland ist in keiner Weise erpressbar."
Dennoch verurteilt Altmaier das Verhalten Erdogans als "inakzeptabel". "Die getroffenen Maßnahmen sind absolut notwendig: Darin ist sich die Bundesregierung einig", sagt Altmaier. Deutschland hat die Pflicht, seine Staatsbürger und das Ansehen deutscher Unternehmen zu schützen.
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(ame)